Die Legende vom heiligen Hein

(von Otto Waalkes)

Es gibt so viele beruehmte Heilige - jedes Land hat den seinen: Italien hat den heiligen Franziskus, der den Voegeln predigte, England hat den heiligen Georg, der den Drachen predigte und Frankreich die heilige Johanna, die kein so schoenes Ende nahm - ja, die sind alle bekannt und werden ueberall verehrt. . . Was leider weniger bekannt ist, dass auch wir in Ostfriesland einen grossen Heiligen verehren: den Heiligen Hein.

Viele wundersame Legenden ranken sich um diesen heiligen Mann - und die schoensten, die moechte ich Euch, liebe Brueder und Schwestern, nun erzaehlen. . . Ich beginne mit der Legende von Heins Berufung. In seiner Jugend naemlich war Hein ein ganz ungestuemer und gefuerchteter Schlickrutscher. und als er eben mal wieder ganz hoellisch schnell Ueber'n Schlick rutschte, da ertoente ploetzlich eine Stimme von oben, die also sprach: Hein, Du bist berufen - "Haeh?" - Hein, Du bist berufen - "Haeh?" Ach, Hein - Du bist behaemmert. Dieses Erlebnis veraenderte Heins Leben von Grund auf und fortan ward er in ganz Ostfriesland "der Nagel Gottes" genannt. Und als solcher wirkte er manches Wunder: Er verwandelte Kirschwasser in Schnaps, Schweine in Brotaufstriche und Strafstoesse direkt. Da geschah es, dass die Stimme ein zweites Mal zu ihm sprach: Hein, wuerdest Du Dir auch zutrauen, dem Volk eine Predigt zu halten? - "ICH!? Aber immer!" Und Hein ging und predigte dem Volke; und als er geendigt hatte, fragte er: "Na - Wie war ich?" Tja Hein: Eva hat nicht die Schlange, sondern Adam hat in den Apfel gebissen - Lots Frau erstarrte nicht zur Salzstange, sondern zur Salzsaeule - Moses wurde nicht in einem Bastroeckchen, sondern in einem Bastkoerbchen gefunden, und er brachte seinem Volk nicht zehn Gebisse, sondern zehn Gebote -Es heisst auch nicht Fregatte Dora sondern Arche Noah und nicht der barmherzige Bernhardiner sondern der barmherzige Samariter - und zum Schluss sagt man nicht Prost sondern Amen. . . aber davon abgesehen war es eine sehr schoene Predigt.

Und so wurde der heilige Hein immer heiliger: Er heilte die Kranken durch Handauflegen und die Nichttaenzer durch Plattenauflegen, und er zuegelte die Begierden seines Fleisches soweit, dass er zwischen den Mahlzeiten kaum mehr feste Nahrung zu sich nahm. Ja, und sein 50jaehriges Einsiedlerjubilaeum feierte er nicht bloss im Kreise seiner grossen Familie, nein, Tausende von friesischen Einsiedlern feierten mit, und da war keiner in Leer, der nicht voll war. Da geschah es auch, dass die Stimme ein drittes Mal zu ihm sprach: Hein geh hin und sammle zwoelf Juenger um dich. - "Mach ich. " Und schon am naechsten Tag hatte Hein seinen Auftrag erfuellt: "Hier sind die Zwoelf - darf ich vorstellen: Sabine, Elsbeth, Karin, Yvonne, Erna, Susi, Maeuschen..."

Aber die Stimme sprach: Hein, ich meinte Juenger...

"Was noch juenger!""